Torsten Kleinz hat mal seine eigene Homophobie etwas aufgearbeitet. Das nehme ich direkt mal zum Anlass, auch für mich darüber nachzudenken.

Ich bin in der Vorstadt aufgewachsen. Zwischen den Asis auf der einen Seite, von denen eine latente Gefahr des grundlos aufs Maul bekommens ausgeht. Auf der anderen Seite die Kinder der Spießereltern mit Reihenhaus. Mit denen und deren Eltern hatte ich wenig überraschend fast ausschließlich zu tun, die meisten Eltern in meinem Umfeld waren Lehrer oder andere Beamte. Das ist kein Wunder, denn ich war auf der einzigen Montessori-Grundschule weit und breit und wer in der 80ern seine Kinder auf so eine Schule schickte, machte das wahrscheinlich absichtlich. Wie auch immer, in dem Umfeld gab es nicht wirklich homosexuelle Leute, zumindest wenige, über die man das wusste. Im Kontext der sehr liberalen Kirchengemeinde meines Vaters begegneten mir schon als Kind immer wieder homosexuelle Leute, dieser Umstand war mir aber meistens ziemlich schnuppe, wenn auch das Besondere daran auch für mich deutlich spürbar war. Besonders war, dass dieser Kontext sich immer wieder klar und aktiv von der #Homophobie überall sonst distanzieren musste und das auch tat. In den Kreisen, mit denen ich in Kontakt kam, war der Vorwurf, CDU zu wählen, ein Vorwurf (und ist es für mich auch heute noch). Kein Wunder, dass Umgang mit homosexuellen Leuten tendenziell eher als schmückend als unangenehm empfunden wurde. Seht her, ich bin so unkonservativ.

Glück für mich, denn so liegt mir Homophobie genau so fern wie Ausländerfeindlichkeit oder generell Ausgrenzung. Wer homophob war oder ausländerfeindliches Zeug gequatscht hat, war im gesellschaftlichen Aus in dieser Filterblase. Als sich später in der Pubertät erste Leute in meinem Umfeld als schwul outeten, war ich daher ein klein wenig enttäuscht, selber keine schwulen Freunde zu haben. Wer schwule Freunde hatte, hatte eine Aura der Weltoffenheit, das war erstrebenswert. Wiederum Glück für mich, dass ich nicht zu lange warten musste, bis sich gute und sehr gute Freunde ebenfalls outeten, zumindest mir gegenüber. Ha, geht doch. Wenn ich so darüber nachdenke, freue ich mich tatsächlich über schwule Freunde. Dabei ist das Schmücken und Angeben mit der eigenen Toleranz gar nicht mal der Grund dafür, ich empfinde es einfach als bereichernd. Einer hat sich mit seinem coming-out sehr lange Zeit gelassen, auch wenn vermutlich ausnahmslos jedem, der mit ihm zu tun hatte, das sofort klar war. Aber er hat das lange abgestritten, echt merkwürdig. An drohenden negativen Konsequenzen im Freundeskreis lag das jedenfalls nicht.

Lesben sind so eine andere Sache. Ich kenne in der Tat bis heute keine bekennende homosexuelle Frau näher. Lesben sind für mich daher leider ungewohnt und was ungewohnt ist, dem begegnet man unnatürlich. Das nervt mich. Sehr sogar. Natürlich kenne ich einige Lesben von denen ich das weiß (und vermutlich noch mehr, von denen ich das nicht weiß), das ist gar nicht der Punkt, nur in meinem direkten Umfeld glänzen homosexuelle Frauen durch Abwesenheit. Oft genug bleibt es bei Lesben vor allem bei der Vermutung. Mal will nicht fragen, weil einen das nichts angeht, also bleibt die Vermutung einfach dauerhaft vor sich hin stehen. Dann ist da noch das Unbehagen, dass Lesben kurzhaarig, männerhassend und ungesund feministisch sind. Sind sie vermutlich nur in einer kleinen Minderheit, aber mit so Leuten möchte ich, ob lesbisch oder nicht, nichts zu tun haben. Ich will auch nichts mit frauenhassenden Typen und Maskulinisten zu tun haben, egal ob schwul oder nicht. Unfairerweise unterstelle ich dennoch den Lesben, dass von denen ein größerer Teil in diese unangenehme Kategorie fällt. Das stimmt vermutlich nicht und führt zu meinem Appell an die Lesben, die nicht so sind, das mal offener zu leben und sichtbarer zu werden. Wenn die einzigen Lesben, die man so sieht, von der unangenehmen Sorte sind, schleichen sich Vorurteile auch bei reflektierten Menschen ein. Man kann sich von sowas echt schwer frei machen. Denkt mal darüber nach. Immer nur und Lesben hinterher zu rufen, wenn von Schwulen die Rede ist, bringt einen da in meinen Augen nur mittelmäßig nach vorne. Dass Schwule inzwischen auf eine gewisse Akzeptanz treffen ist hart erarbeitet, teilweise sogar sehr hart.

Na wie auch immer, weg vom #Gender Minenfeld. Homophobie betrifft vor allem Schwule und darüber wollte ich eigentlich schreiben. Ich fühle mich da weitgehend frei von und auch mein Umfeld ist da fast durchweg unproblematisch. Manchmal höre ich allerdings Sachen, da möchte ich einfach nur kommentarlos den Raum verlassen, Homophobie ist noch weit verbreitet und wenn mir das schon so unangenehm ist, möchte ich mir sowas erst recht nicht als Schwuler anhören müssen. Schlimm.

Was mir allerdings noch heute immer mal wieder durchrutscht, ist schwul als negativ konnotiertes Eigenschaftswort. Das kann je nach Kontext unterschiedliches bedeuten, aber eben offensichtlich negativ konnotiert. Dieses Wort schwul ist zwar das gleiche Wort wie das Wort schwul für homosexuelle Männer, aber in meinem Kopf sind das zwei völlig getrennte Bedeutungen. Wenn ich etwas als schwul beschimpfe, dann habe ich absolut keine Spur von homosexuellen Männern im Kopf. Das entschuldigt leider nur sehr wenig, also achte ich da eigentlich sehr drauf, das Wort nicht in der negativ konnotierten Bedeutung zu verwenden. Reicht aber nicht immer, denn es sitzt einfach zu tief in meinem Wortschatz. Das ging in der Grundschule los und war nie offen gegen Schwule gerichtet, aber es war da, es war handlich und alle haben es benutzt. Die heute Schwulen, die damals dabei waren, fühlen sich davon auch schlicht nicht angesprochen. Aber auch das macht das nur bedingt besser. Das Wort gar nicht mehr zu verwenden ist auch keine Lösung, die eigentliche Bedeutung ist etabliert und gut. Ach, alles nicht so leicht. Fast das gleiche gilt übrigens für die Wörter behindert und Spast. Behindert benutze ich als negativ konnotiertes Eigenschaftswort traditionell fast nie, aber dafür höre ich das umso häufiger und es stößt mir jedes Mal wieder sauer auf. Auch Spast benutze ich traditionell sehr selten, denke da aber nun wirklich nicht im Gringsten an Spastiker. Aber auch diese Wörter kommen bei mir vor, weil sie zu tief in meinem Kinder- und Jugendwortschatz stecken, so unangenehm mir das ist. Wenigstens sage ich nicht vergasen statt vergessen, das höre ich erstaunlich oft, auch etwas bis zur Vergasung tun. Dagegen sind behindert oder schwul ja geradezu erfreuliche Wörter.

Ein Wort, für das ich offenbar zu alt bin, ist Opfer. Was für ein unerfreulicher Begriff. Ich erkenne an, dass es sich dabei irgendwie um Jugendsprache handelt und das nur mittelmäßig so gemeint ist, aber innerlich rege ich mich manchmal fürchterlich auf, wenn ich das höre. Voll das Opfer… Dahinter steckt eine unerfreuliche Denke, es spielt Verharmlosung von Mobbing mit rein und noch viel mehr. Andererseits denke ich dann gelegentlich an meine Schulzeit zurück und muss einräumen, dass es einfach Leute gibt, die dieser Begriff, so unerträglich er ist, gut und hinreichend beschreibt. Auch als Kritik an der übertriebenen Inszenierung als Opfer, die Problembewusstsein schamlos ausnutzt, ist der Begriff ein scharfes Schwert. So eine Gesellschaft ist ein ständiges Geben und Nehmen von Wortbedeutungen und Nebenbedeutungen und wer Wörter verurteilt, ohne den Kontext zu würdigen oder wenigstens zu beachten, macht es sich zu einfach. So auch Leute, die meinen, einem wegen sowas ans Bein pissen zu müssen. Man kann die problematische Verwendung solcher Wörter thematisieren, man kann sie auch kritisieren. Aber auch hier macht der Ton die Musik und wer meint, Leute zurechtweisen zu müssen, schafft weniger Problembewusstsein als Ablehnung. Man weist Leute einfach grundsätzlich nicht zurecht, das ist unhöflich und zu vermeiden. Ausnahmen bestätigen die Regel, ich denke da gerade an meinen Fahrlehrer.

Und die Homophobie? Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn bei Maischberger nicht "Bekennender Homosexueller" unter irgendwelchen Namen stünde, von all dem anderen Scheiß ganz zu schweigen. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

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