Mein erstes ferngesteuertes Auto im Erwachsenenalter war ein schlimmes Geldgrab, Ergebnis einer völligen Fehlberatung und meiner Naivität. Sicher habe ich das nicht nur ein mal erwähnt, zuletzt jedenfalls in meiner erklärlichen Herablassung gegenüber Bürstenmotoren. Was mich damals vor allem frustriert hat, war das Ergebnis gemessen am bezahlten Geld: Baukasten, Lack, Kugellager (Überraschung!), einzeln gekaufte RC-Komponenten (machanischer Fahrtregler, WTF!?), all das zusammen summierte sich auf einen Preis, für den ich auch ein in allen Belangen überlegenes RTR-Modell hätte kaufen können. Das hat mich besonders getroffen, weil Geld damals eine wirklich knappe Ressource bei mir war.

Was ich damals nicht begriffen habe, ist die Ausrichtung von Tamiya, die nicht das war, was ich gesucht hatte, aber eben seine Daseinsberechtigung hat. Letztlich muss man einfach Spaß am Aufbau des Modells haben, eigentlich wie ein Lego-Technic-Kasten. Ich hingegen wollte ein Auto, das sinnvoll konstruiert, den Kosten angemessen ausgestattet ist und sich entsprechend fährt.

So wie der Arrma Fazon Voltage, den ich letztes Jahr für einen Schnäppchenpreis von 90 Euro abgestaubt habe und der bis auf die zu schwach ausgelegten Differenzialabtriebe bzw. den fehlenden Slipper eine fantastische Konstruktion ist. Beides zusammen ist eine sehr unglückliche Kombination: Auf griffigem Untergrund wie Rasen und bei vielen Landungen mit Vollgas gibt es ohne Slipper (Rutschkupplung) ständig heftige Lastspitzen im Antriebsstrang, die irgendwo abgebaut werden müssen. Drehen die Räder nicht durch und gibt der Motor gerade Vollgas, gibt früher oder später irgendwas nach und das sind in dem Fall die Differenzialabtriebe aus vergleichsweise weichem Kunststoff. Würde man die härter machen, würde das nächstschwächere Glied in der Kette schlapp machen, das sind dann entweder die Antriebswellen oder die Zahnräder im Getriebe. Deswegen brauchen solche Fahrzeuge einen Slipper, der die Lastspitzen aufnehmen kann. Platz wäre da gewesen, was die Sache besonders schade macht. Ich habe jetzt einfach ein paar Tütchen Ersatzteile beschafft und achte penibel darauf, bei Landungen kein Gas zu geben.

Die Lunch Box Mini ist ein teurer Spaß

Zurück zu Tamiya. Ich hatte mich spontan in die Lunch Box Mini verliebt (siehe etwa das Herstellervideo bei YouTube) und auch die Kinder waren sofort verliebt und haben mich belagert, dass ich dieses süße gelbe Autochen kaufen soll. Wer kann da schon widerstehen, trotz Tamiya. Denn auch auch das Ding kommt als Baukasten, zieht diverse zusätzliche Investitionen nach sich und ist verglichen mit anderen Fahrzeugen der sich letztlich ergebenden Preisklasse sein Geld nicht wert, jedenfalls aus technischer Sicht. Aber sie ist so süß und lustig und Kindheitserinnerungen und leuchtende Kinderaugen und ich konnte einfach nicht anders. Also mal schnell zusammenrechnen: 85 Euro für das Modell, fast 30 Euro für den Kugellagersatz (günstig gekauft, eigentlich viel teurer), 11 Euro für die beiden kurzen Plastikstäbchen für die Vierradlenkung (Schnappatmung), 8 Euro für ein günstiges Standardservo, einen Regler hatte ich noch (sonst weitere mindestens 15 Euro), eine Funke (ab 30 Euro) und ein Akku, weil keiner meiner Standardakkus passt. Für den Akku will Tamiya irgendwas um die 60 Euro haben. Für zwei zusammengelötete 18650er-Zellen. WTF!? Ich habe zwar genug davon rumliegen, aber die zu löten macht echt keinen Spaß, also nochmal 15 Euro für ein günstiges Akkupack. Da sind wir bei irgendwas um die 180 bis 200 Euro Endpreis und ich zähle lieber nicht auf, was man für das Geld bei anderen Herstellern bekommt. Nur so viel: Fahrzeuge jenseits der 100 Euro-Marke ohne Kugellager (stattdessen mit Kunststofflagern!) habe ich seit zehn Jahren nicht mehr bewusst wahrgenommen, selbst bei viel billigeren ist das eine Selbstverständlichkeit und wer mal ein TT-01-Chassis mit den beiliegenden "Gleit"-Lagern aus Messing gefahren ist, weiß warum: Die Reibung im Antriebsstrang ist groß, was Leistung frisst, vor allem aber schlagen die sehr schnell aus und dann rappelt und vibriert alles. Naja, so ist Tamiya eben, muss man halt wissen, ob man das will.

Der Zusammenbau

Der Zusammenbau stellt einen nicht vor echte Rätsel: Man schneidet Teile aus recht erstaunlich weichem Kunststoff von Spritzgussästen ab, schraubt sie mit Schräubchen aus kleinen Tütchen zusammen, sortiert nach Bauabschnitten. Wer Lego bauen kann, bekommt das hin. Schlüsselskill: Nichts von den Kleinteilen verschlampen. Anders als bei Lego muss man wahnsinnig aufpassen, weil bei dem weichen Kunststoff oft nicht nach fest ab kommt, sondern schon davor. Das ergibt, gerade bei den Radaufhängungen und der merkwürdigen mehrmals umgelenkten Lenkungsmechanik ein insgesamt derart wackeliges Modell, dass man sich fragt, ob das überhaupt geradeaus fährt. Spoiler: Tut es nicht, aber dazu später. Das eigentliche Gebastel geht flott von der Hand und macht tatsächlich großen Spaß, die Vorfreude steigt, ich fühle mich ständig belohnt. Dann kommt die Karosserie dran, die freundlicherweise und abweichend zum Tamiya-Standard bereits professionell gelb lackiert mit einer weißen Schutzlackschicht innen ist. Die relevanten Rundungen sind auch bereits ausgestanzt, sodass man hier keine hässlichen Radhäuser zurechtschnibbelt. Ich erwähne das, weil mein Enzo Ferrari von damals ausgesprochen unsauber ausgeschnittene Radhäuser hat, weil ich nicht gut darin bin, so sperriges Material sauber rund auszuschneiden. Probiert mal mit einer etwas dickeren PET-Flasche aus, wie viel Spaß damit präzise Rundschnitte machen. Ansonsten wird man beim Einbau der Elektronik vermutlich löten müssen, am Motor sind diese gruseligen Blechstecker dran, das muss ausgetauscht werden, wenn man nicht zufällig einen Regler mit passenden Gegenstücken hat.

Aufkleberwahnsinn

Dann kommen die Aufkleber. Man könnte jetzt annehmen, dass der Aufkleberbogen vorgestanzt ist, wie man das so kennt. Aber weit gefehlt: Man darf mit einer Nagelschere feinziselierte Aufkleberchen ausschneiden und um die Rundungen herumkleben. Das alleine dauert so lange wie der restliche Aufbau des Modells, zumindest bei mir. Aber irgendwann hat man es geschafft und ist ganz stolz und nassgeschwitzt und es sieht echt cool aus. Naja, andere Leute häkeln abends. Dennoch: Bitte die Aufkleberbögen ausstanzen, Tamiya!

Die Akkufrage

Zuletzt baut man die Elektronik ein. Das Servo ist schon beim Bau verbaut worden, ebenso der mitgelieferte Motor, aber Regler, Empfänger und Akku müssen noch platziert werden. Dafür gibt es geeignete Positionen, was wunderbar ist, weil man nicht viel entscheiden muss. Auf der Packung steht etwas von Batteriebox für 4 AA-Zellen alternativ zu oben genanntem Tamiya-Akku. Es stellt sich allerdings heraus, dass diese Batteriebox nur in einigen Ländern dabei ist. Darüber könnte ich verstimmt sein, bin ich aber nicht, weil ich keinen Regler kenne, der mit den 4,8V aus 4 AA-Zellen etwas sinnvolles anzufangen weiß, sofern er überhaupt etwas tut. Zudem ist die Karre schon bei 7,2V recht langsam unterwegs, dass ich mich frage, wie dieser Motor bei 4,8V irgendwie vorankommen will. Meine Akkus für kleine Modelle, die ich in drei verschiedenen Bauformen noch so rumliegen hatte, passen alle nicht in die vorgesehene Akkuhalterung, also musste ich noch ein Akkupack für 15 Euro bei fragwürdigen Händlern im Amazon-Marketplace bestellen. Vorteil: Da ist dann direkt ein USB-Ladegerät für den Balanceranschluss dabei und er hat schon einen T-Stecker dran, einmal Löten weniger.

Über Akkus, Balanceranschlüsse und den Steckerdiversityhorror muss ich bei Gelegenheit mal eine eigenen Beitrag schreiben. Nur so viel: Ich verstehe gar nicht, wieso sich die Bauform mit zwei 18650er-LiIon-Zellen nebeneinander nicht mehr durchsetzt, der T-Stecker hat immerhin zur Zeit ziemlich Oberwasser bei allen kleineren Maßstäben und löst auch dort endlich die gruseligen dünnen Ministeckerchen ab, deren Kontakte dünn wie Klingeldraht sind und die ganz unerfreulich heiß werden, vom Leistungsverlust durch den hohen Übergangswiderstand mal abgesehen. Diese moderne und kompakte Bauform bekommt man relativ günstig, weil 18650er-Zellen allgegenwärtig sind und in absurden Stückzahlen produziert werden. Von der E-Zigarette über Akkuwerkzeuge und E-Bikes bis hin zu ausgewachsenen Elektroautos trifft man diese Rundzellen überall an und für ihre Baugröße sind sie erstaunlich leistungsfähig, leider nur entweder in Sachen Kapazität oder Strombelastbarkeit. Da muss man wählen, anders als bei LiPo-Akkupacks, die bei steigender Kapazität in der Regel auch mehr Strom abgeben. Bei den 18650er-Zellen ist der Bauraum aber klar definiert und so gibt es grob zwei Möglichkeiten zur Optimierung: Alles dichter wickeln für mehr Kapazität, aber dann wird das empfindlicher, oder eben die Schichten dicker machen, dann wird es robuster. Jedenfalls kann man wahnsinniges Geld für Modellbauakkus mit diesen Zellen ausgeben, etwa die 60 Euro bei Tamiya, oder man bestellt bei fragwürdigen Asiahändlern, Versand durch Amazon, hoffentlich ordentlich verzollt und versteuert. Oder man wartet, dass die Packs von Markenherstellern lieferbar sind. Die Bauform gilt jedenfalls noch immer als Sonderbauform und ist entsprechend schlecht verfügbar, zumindest zur Zeit.

Fahren

Der Akku ist jetzt da und es darf gefahren werden. Was soll ich sagen? Ich lache und jauchze wie ein Kind. Die Labberigkeit ist absurd, ständig muss man die Richtung nachkorrigieren, weil die Räder schon ohne große Krafteinwirkung locker 20° Spiel zueinander haben. Immerhin sind auch die Vorderräder angetrieben und eiern nicht nur rum, was das Fahrzeug irre wendig macht. Aber das ist alles egal, weil sich dieses absurde Fahrzeug unfassbar lustig fährt. Es macht Wheelies ohne Ende, kippt ohnehin ständig um und wenn man bremst, macht es einen Purzelbaum. Das beste ist aber, dass man wegen der rudimentären Vierradlenkung die Richtung etwas nachkorrigieren kann, während man größere Strecken auf den Hinterrädern fährt. Ich hatte lange nicht so viel Spaß mit einem ferngesteuerten Auto, gerade weil es so absurd doof ist.

Ein Fazit

Gut: Der Aufbau macht Spaß, die Vorfreude wächst stetig dabei, das Fahren ist super lustig, sie sieht super süß aus. Ein Auto zum Verlieben, wie ein Pandababy!

Schlecht: Die Chassiskonstruktion ist unnötig wabbelig, man kann nicht vernünftig fahren, baut sich einen Wolf und zahlt einen Endpreis, für den man Fahrzeuge einer ganz anderen Liga bekommt. Das muss man wollen.

Für wen: Vorsichtige Kinder werden daran viel Spaß haben, Radaukinder werden die filigrane Konstruktion in Rekordzeit vernichten. Ansonsten alle, die das Kind in sich strahlen lassen möchten!

Für wen noch: In der Vitrine macht sich die Karre auch ausgesprochen gut, klassische Tamiya-Stärke. Für den Zweck kann man sich die Kugellager und die Allradlenkung sparen (immerhin 40 Euro). Eine alte Funke und irgendein Regler aus der Kramkiste tun es hierfür auch allemal, nur die neue Akkubauform muss man irgendwie anschaffen, da wird man eher nichts rumliegen haben. Man kommt für 100 Euro also durchaus weg, wenn man sich vor allem am Anblick erfreuen will.

Das Chassis: Das Chassis ist ein SW-01, ganz neue Konstruktion. Ich frage mich, wer sich so etwas schwabbeliges ausdenkt und dann auch noch so weiche Materialien einsetzt. Allein die Antriebswellen gruseln mich schon, da gehört auf keinen Fall ein stärkerer Motor rein! Die Lenkungskonstruktion ist völlig gaga und trägt einen guten Teil zum miesen Fahrverhalten bei. Wenn das der recht feste Kunststoff wäre, den Tamiya im TT-01 einsetzt, wäre das alles viel weniger weich. Auch vom Fahrverhalten her braucht man keinen stärkeren Motor, schneller als dieser Kriechgang wäre zu schnell, weil das Fahrzeug so schon ständig in alle Richtungen umkippt. Das ist lustig wie es ist, belassen wir es dabei.

Randbemerkung: Anfänger_innen denken oft, sie bräuchten einen stärkeren Motor, auch weil Tamiya immer als Tuningmaßnahme den Sportmotor empfiehlt. Ich würde allerdings raten, erstmal zu schauen, ob nicht eigentlich der Regler einfach nicht genug Punch hat oder der Akku einfach schwach ist. Beides habe ich schon als Flaschenhals erlebt, erstaunlicherweise bereits bei so Büchsenmotoren wie den Baukastendingern von Tamiya. Ein schnellerer Motor liefert dann durchaus mehr Endgeschwindigkeit oder Drehmoment, aber so richtig viel Punch kommt dann trotzdem nicht raus, wenn man kräftig am Gashebel zieht. Gerade bei Billigmodellen hapert es hier gewaltig, zudem regeln schlechte Regler auch oft sehr schlecht (vor allem ungenau oder stark verzögert), da wird man mit einem besseren Modell mehr erreichen als mit einem leicht schnelleren Motor. Und noch ein Tipp: Wenn einem ein Modell nicht schnell genug ist, wie es kommt, sollte man nur in Maßen leistungssteigernde Maßnehmen vornehmen; weil echte Steigerungen mit einer massiv höheren Belastung aller Teile einhergeht, was ein Fahrzeug allzu schnell zu einem echten Geldgrab werden lässt. Also lieber etwas sparen und auf ein schnelleres Modell wechseln und das alte so lassen, wie es ist. Meistens ist es gut so und wird nicht mehr besser.

P.S. Noch ein paar Worte zu Kugellagern: Das ist eine echt fiese Falle und Tamiya täte gut daran, seine Baukästen von Anfang an mit ordentlichen Lagern auszustatten. Wie alle anderen auch. Ich kann Tamiya-Modelle aus Fahrersicht einfach nicht ernst nehmen, solange der Antriebsstrang in Messing- oder wie hier sogar in weichen Kunststoffbuchsen gelagert ist, Weltmeistertitel mit dem einen teuren TRF-Tourenwagen hin oder her. Ich fühle mich zudem einfach nur abgezockt, wenn ich nichtsahnend einen Baukasten öffne und dann feststelle, dass da als Lager nur so Notlösungen mitgeliefert werden und ich nochmal rund ein Drittel des ganzen Baukastenpreises nur für Lager ausgeben muss, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sind. Bessere Händler bieten konsequenterweise grundsätzlich beides zusammen als Bundle an.

P.P.S. Mechanische Fahrtregler, WTF!? Ich habe mich ja im verlinkten Beitrag bereits aufgeregt, aber ich tue es hier gerne nochmal. Das war 2003 und meinem TT-01 lag allen Ernstes ein mechanischer Fahrtregler bei. Wobei das eher ein Fahrstufenschalter war, wie bei den ersten Straßenbahnen vor über hundert Jahren. Und der größte Witz daran: Das Ding erforderte zur Strafe noch weitere Investitionen, weil man ein zusätzliches Servo dafür brauchte. Ich bin noch immer sprachlos darüber und ein guter Teil meiner Ablehnung den Modellen von Tamiya gegenüber geht auf das Konto dieses Arschtritts. Ja, billige Regler haben damals auch keinen Spaß gemacht, aber dann legt man halt keinen Regler bei.

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