Neulich hatten wir Gäste und der große Sohn hatte derart viel Spaß daran, im Garten mit unserem (heruntergeregelten) Arrma Fazon Voltage herumzuheizen, dass dort zum Geburtstag ein ferngesteuertes Auto angestrebt wurde. Nun ist es immer etwas problematisch, Kindergartenkindern ordentliche Modelle an die Hand zu geben, weil es dort ein hohes aktives und passives Schadenspotenzial gibt. Nicht ohne Grund steht überall, dass solche Modelle ab 14 Jahren geeignet sind. Dazu später mehr.

Unter anderem aus diesem Grund wurde also bei Amazon der "Bestseller Nr. 1 in App- und ferngesteuerte Lastwagen" gekauft, der gerade "SGILE RC Auto 1: 16, mit 2 Akkus, 2.4 GHz Offroad, KM/H, RC-Auto, Rot" heißt und 32,99 Euro kostet inkl. "GRATIS Premiumversand Langstrecke für Prime-Mitglieder". Das Teil hat aktuell 93 Sternebewertungen bei einer Durchschnittsbewertung von 4,5 von 5 Sternen. Verlinken werde ich das Modell nicht, weil die Erfahrung zeigt, dass solche Angebote ausgesprochen kurzlebig sind. Man ist also durchweg sehr zufrieden, das lässt hoffen. Ich erfuhr allerdings erst davon, als das Teil bereits wieder auf dem Heimweg war. Nun will ich mal allgemein zusammenfassen, warum solche billigen ferngesteuerten Autos fast immer eine frustrierende Erfahrung sind.

In echt habe ich dieses konkrete Fahrzeug gar nicht gesehen, aber man kann bereits aus der Produktbeschreibung und vor allem den Bildern einige erhellende Punkte entnehmen, mit denen sich solche Fahrzeuge bei etwas Erfahrung sofort einordnen lassen. Und da ich immer mal wieder von Eltern danach gefragt werde, schreibe ich das mal nieder.

  1. Ich habe bislang kein ferngesteuertes Auto unter etwa 50 Euro Neupreis gesehen, dessen Lenkung mit einem Servo ausgestattet war. Stattdessen wird eine zum Scheitern verurteilte Konstruktion verwendet, die jeder Ingenieurin und jedem Ingenieur die Schamesröte ins Gesicht treiben würde: Eine Feder hält die Anlenkung in der Mitte und ein kleiner Elektromotor bekommt Spannung in die eine oder die andere Richtung, dreht ein Stück gegen die Feder an und läuft dann in eine Blockade. Randbemerkung: Der Blockadestrom bei Elektromotoren ist sehr hoch. Das ist aber vor allem unpräzise und läuft darauf hinaus, dass im besten Fall die Lenkung einigermaßen kräftig zwischen drei Zuständen wechseln kann. Wer mal ein Auto gefahren hat, kann sich sicher vorstellen wie gut es funktioniert, wenn man immer nur eine hoffentlich einigermaßen präzise Mitte oder volle Auslenkungen haben kann. Im Detail unterscheiden sich die Systeme vor allem in ihrer Lenkkraft, der Rückstellkraft der Feder und ob durch Ansteuerung des Motors mehr oder weniger weit gegen die Feder angearbeitet werden kann oder eben nur der Vollausschlag möglich ist. In der Praxis zeichnen sich solche Fahrzeuge dadurch aus, dass sie zu zackig lenken und das fast immer nur sehr schwach tun. Im Ergebnis ist bereits Geradeausfahren nur zufällig möglich und der Kurvenradius hängt primär von der gefahrenen Geschwindigkeit und dem Grip des Untergrundes ab, statt vom Ausschlag der Lenkung an der Fernsteuerung. Je schneller das Fahrzeug werden kann, umso ätzender wird das und umso unkontrollierbarer wird die Fahrt. Hinzu kommt eine oft wackelige Lenk-Ansteuerung und Aufhängung der Räder, was selbst bei einem Servo für ein schwammiges Fahrverhalten sorgt. Tut Euch und Euren Kindern einen Gefallen und kauft irgendwas mit einem Servo in der Lenkung. Man erkennt solche Lenkungen übrigens von außen und auf Bildern an einer meistens vorhandenen mechanischen Verstellung der Lenkmitte mittels eines kleinen Hebels mit Rasterung an der Unterseite. Wenn Ihr sowas seht, kauft etwas anderes oder lebt mit der Spielzeughaftigkeit.

  2. Das ist allerdings selten ein echtes Problem, weil billige Fahrzeuge ohnehin oft recht erstaunlich langsam unterwegs sind. Das konkrete Modell verspricht 15 km/h, was angesichts der schwachen Akkupacks mit jämmerlichen 4,8V eher auf 10 km/h hinausläuft. Da kann man noch bequem nebenher laufen und das ist schon nach wenigen Minuten frustrierend langsam. Oft kommen solche schwachen Fahrzeuge schon unsere eigentlich recht flache Auffahrt ohne Schwung nicht hinauf, wobei das Modell hier die Überwindung von 45° steilen Neigungen verspricht. Es kann sein, dass es deswegen so langsam ist, weil es sehr kurz übersetzt ist, das wäre besser als einfach ein zu schwacher Motor, der auch noch mit zu wenig Spannung betrieben wird. So oder so, mir wurde berichtet, dass das Fahrzeug wirklich sehr ernüchternde Fahrleistungen hatte, was selbst für Kindergartenkinder sehr schnell zu langsam ist.

  3. Solche Modelle sind einigermaßen robust, was in Kinderhänden gut ist. Zudem sind sie meistens sehr klein und leicht, was ihr Schadenspotenzial klein hält, gerade in Verbindung mit der geringen Geschwindigkeit. Auch das ist hier von Vorteil. Aber es wird auch zum eklatanten Nachteil, weil man so eben nicht überall drüber kommt, sondern bereits auf einem Rasen, der nicht super kurz geschoren ist, kaum vorwärts kommt und alle paar Meter festhängen wird. Je nach verfügbarem Einsatzgelände kann das ein echter Showstopper sein. Unproblematisch ist es immer, auf dem Gehweg vor der Tür herumzufahren oder auf einem ebenen Bolzplatz. Der eigene Garten hingegen fällt dann schnell flach, weil es einfach keinen Spaß macht.

  4. Man kann nicht wirklich springen oder ähnliche Action veranstalten. Dazu fehlt es den Fahrzeugen einerseits schlicht an Geschwindigkeit, andererseits purzeln sie ungelenk über die Rampe, weil sie sich nicht genau genug regeln lassen, um eine vorhersehbare Flugkurve zu erreichen. Wenn man die Rampe überhaupt mit angemessener Geschwindigkeit trifft mit der üblen Lenkung. Tatsächlich ist dieser Punkt einer der handfestesten Unterscheidungsmerkmale zwischen billigem Spielzeug und RC-Cars, die auch Erwachsenen Spaß machen. Wenn man sich fragt, wie die Leute in den Videos bei YouTube so tolle präzise Sprünge hinbekommen, wo sogar in der Luft nachkorrigiert wird: Das geht nur, wenn sich Lenkung und Motor präzise regeln lassen und das wiederum gibt es schon ohne hoffentlich gut austariertes Fahrzeug drumherum nicht für 50 Euro. Nun könnte man argumentieren, dass Kindergartenkinder, zumal als Einstieg, gar nicht springen müssen. Klar, das stimmt völlig. Ich stelle aber eine Gegenfrage: Wie lange wird es dauern, bis ein Kindergartenkind das so weit drauf hat, dass es mehr will, als auf flachem Untergrund herumzuhoppeln? Und wenn es so weit ist, was dann? Geburtstag ist nur einmal im Jahr und es wäre doch sicher wünschenswert, wenn das Geschenk zumindest das Potenzial hätte, mehr als ein, zwei Wochen Spaß zu bereiten.

  5. OK, dann Autos zwischen ca. 50 und ca. 100 Euro? Jein. Man findet dort zwar einigermaßen brauchbare Fahrwerke, hinreichend Leistung und eine präzise Lenkung vor, wenn man es bei einem Maßstab im Bereich 1/16 und 1/18 belässt. Aber leider wächst mit der Leistung auch die Anfälligkeit für showstoppende Kleinigkeiten, die bei langsameren Autos noch egal waren. Ich besitze mehrere solcher Fahrzeuge und irgendwas ist immer, weswegen sie letztlich nach ein paar Fahrten keinen Spaß mehr machen. Ich habe einen kleinen Allradbuggy von Jamara, der gemessen an seinem Preis fast alles richtig macht und sich toll fährt und sogar gut dabei aussieht. Juhu! Leider hat er zwei Probleme, die weitere Einsätze eher unwahrscheinlich machen: Einerseits kann man zwar die maximale Geschwindigkeit an der Fernbedienung stark reduzieren, was den Einstieg immens vereinfachen würde. Doch leider kann die Empfänger-Regler-Kombielektronik nicht langsam fahren. Man kann so zwar dafür sorgen, dass es nicht super schnell wird, aber die Mindestgeschwindigkeit ist bereits so hoch, dass kleine Kinder völlig überfordert werden. Die werden so keinen Einstieg finden. Andererseits fahre auch ich nicht mehr damit, weil irgendwo im Antrieb offene Stellen sind durch die ständig kleine Steinchen in den Antrieb gelangen und ganz grässliche Geräusche machen. So kann man nicht weiterfahren, ohne den Verlust ganzer Zahnräder zu riskieren und am Ende konnte ich keinen Akku leerfahren, ohne dass das passierte und ich alles (zuhause!) aufschrauben musste. Dabei stellt man schnell fest, dass man das so oft nicht tun sollte, weil die gesamte Konstruktion sehr filigran ist und der Kunststoff weich. Wirklich schade, aber konstruktive Veränderungen lohnen an so einem Modell schlicht nicht. Und für den Einsatz auf Rasen ist er zu klein mit seinen etwa 3cm Bodenfreiheit und auf der Straße rumfahren ist nur ein paar Minuten lustig. Sein Terrain ist Schotter und da hat man den ständigen Ärger mit den Steinchen. Bei Fahrzeugen unter 100 Euro kommt noch die Ersatzteilfrage hinzu: Bekommt man überhaupt Ersatzteile? Und wenn ja, wie, wo und zu welchem Preis? Bei Billigautos sind gebrochene Querlenker oft Totalschäden, und das passiert je nach Geschwindigkeit schon beim ersten unglücklichen Einschlag am Bordstein. Bei den besseren Konstruktionen gibt es Ersatzteile, aber da muss man gerade bei Schnäppchen aus China oft nervig hinterherlaufen oder gar (wieder) in China bestellen. Das ist der Grund, wieso die Fahrzeuge in dieser Klasse eher noch unschöner als die Billigautos sind: Sie sind schneller, es geht mehr kaputt und man muss Ersatzteile beschaffen, was mitunter schwierig wird.

  6. Eine Klasse weiter oben wird es schon wieder langsam lustig. Der oben erwähnte Arrma Fazon Voltage war mit seinen 90 Euro ein Megaschnäppchen, wo fast alles stimmt und solche Ärgerlichkeiten kaum auftreten und man eine ordentliche Ersatzteilversorgung hat. Aktuell bekommt man ihn um die 150 Euro, wobei auch das ein völlig angemessener Preis ist. Hier haben sich Leute echte Gedanken gemacht, wie ein robustes Einsteigerauto zu bauen ist. Und es kann richtig schleichen und vergleichsweise präzise lenken, was in meinen Augen die Topkriterien für ein Einstiegsfahrzeug sind, weil das einfach stimmen muss. Dann macht es auch Spaß, über Rampen zu springen, Rutschen hochzufahren, zu driften. Eben alles, was man bei steigenden Fähigkeiten so machen will. Und er ist ausgesprochen robust konstruiert. Bis auf… ja, ich hatte es bereits erwähnt: Es gibt keinen Slipper (Rutschkuppling), der Lastspitzen im Antriebsstrang auffangen würde und dadurch ist bereits mit der Standardmotorisierung die Belastung auf dem Antriebsstrang bei viel Grip und vielen Lastwechseln (vor allem bei Landungen) zu hoch. Hier sterben die Abtriebe des Differenzials in Rekordzeit, wenn man häufiger mit Vollgas landet. Wenn man vorsichtig fährt (viel Spaß beim Erklären), hält es einigermaßen, aber an Tuning ist hier nicht zu denken. Das ist super schade, weil das Fahrwerk spielend auch viel flotter unterwegs sein könnte. Das ist leider ein generelles Problem beim Tuning von Einsteigerfahrzeugen, also dass der Antriebsstrang das nicht lange mitmacht. Also wer vor hat, echt flott unterwegs zu sein, muss eine Klasse weiter oben einsteigen. Oder damit leben, dass dann ein Fahrzeugwechsel ansteht.

  7. Der nächste Schritt ist nämlich ein bürstenloser Motor und LiPo-Akkus, die wirklich sehr viel mehr Leistung aufbringen. Ab da würde ich Kindergartenkinder allerdings ganz klar raushalten, bis sie wirklich aus den kleineren Klassen rausgewachsen sind. So verlockend das sein mag, aber 1,5kg aufwärts mit 50 km/h aufwärts macht viel Schaden und steckt auch viel Schaden ein. Für Erwachsene wird es hier erst lustig, aber Kinder müssen schon sehr erfahren sein, um da niemanden zu verletzen, keine hohen Sachschäden zu verursachen und auch das Auto immerhin eine Akkuladung überleben zu lassen. Und dafür müssen sie viel gefahren sein, um so weit zu kommen und um diese Verantwortung stemmen zu können. Wenn man so weit kommt, ist ein Verein und der Einstieg in den organisierten Rennsport vielleicht eine gute Idee. Da können bereits Grundschulkinder richtige Erfolgserlebnisse in entsprechenden Einstiegsklassen haben.

Was also tun, wenn der Wunsch und die Faszination da ist (übrigens in dem Alter bei Mädchen noch fast so häufig wie bei Jungs, der soziale Gruppendruck kommt erst später, sodass nur hartgesottene Teenie-Mädchen noch Spaß an sowas haben)? Ich empfehle zum ernsthaften Einstieg, so dass man auch selbst als Eltern zusammen Spaß haben haben kann, ein gut konstruiertes Fahrzeug im Bereich um 150 Euro. Hier gibt es manchmal echte Schnäppchen. Oder man kauft etwas gebraucht, allerdings sollte man da unbedingt eine Person beraten lassen, die sich etwas auskennt, weil da wahnsinnig viel Schrott und noch wahnsinniger wenige Perlen unterwegs sind. Ich habe gerade so ein Schnäppchen bei eBay gemacht, aber das ist sind Einzelfälle. Wenn man selber keine Ambitionen hegt, tut es auch ein Auto aus dem Spielzeugbereich, aber dann vielleicht eins, das richtiges Spielzeug ist und irgendwelche Gimmicks hat, die darüber hinwegtäuschen, dass es lahm und unpräzise unterwegs ist. Da gibt es so spektakuläre Auswüchse wie Autos, die umkippen und andersherum weiterfahren können. Das ist lustig und auch meistens nochmal robuster, dass sie im vorgesehenen Einsatzprofil kaum kaputtzukriegen sind, auch wenn man mal drauftritt. Wenn man sich der Einschränkungen bewusst ist, ist aber auch ein Fahrzeug wie das hier besprochene eine Überlegung wert. Sein Geld ist es ja durchaus wert, weil es so billig ist. Nur muss dann klar sein, dass das sehr schnell gehen kann mit dem Wunsch nach mehr. Es kommt immer auf den angepeilten Einsatzzweck an.

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