Aus einer Reihe bislang unveröffentlichter (halbfertiger) Blogbeiträge heute dieser kleine #Rant von 2008 über die Weigerung, nötige Fachbegriffe zu lernen.

Ein sehr schöner im Bremer Sprachblog, diesmal geht es um einen Forderungenkatalog der CDU/CSU-Fraktion zum Verbraucherschutze der Senioren.

Dabei ist mir wieder ein Ärgernis hochgekommen, das mir gelegentlich vornehmlich bei älteren Menschen unterkommt, wenn ich etwas mit Computern erkläre. Es fängt mit der allgemeinen Weigerung an, sich an die nötigen Bedienschritte für Computerprogramme zu gewöhnen oder auch nur simple Tastennamen wie Shift, Space oder Return zu merken. "Shift? Welche Taste war das noch mal?" Als ob ich nicht schon hunderte Male gesagt hätte, welche Taste das ist, wird mir oft genug frustriert entgegen geblafft, dass man diese englischen Namen sowieso doof fände und überhaupt das viele #Englisch bei den Computern ist ja so ein Hindernis und ein Ärgernis sowieso.

Was soll man dazu sagen? Würde ich die oft umständlichen und unschönen deutschen Begriffe für die ganzen Computersachen benutzen, würde das den Leuten in den meisten Fällen auch nicht einen Krümel weiter helfen; denn was die Leertaste, die Eingabetaste oder die Großschreibtaste ist, muss genau so als Vokabel gelernt werden, wie die englischen Begriffe: "Return? Eingabetaste? Ich weiß nicht, welche Taste Du meinst…" Es ist doch völlig egal, ob ein Begriff aus dem Englischen, Deutschen, Französischen, Lateinischen oder aus sonst irgendeiner Fremdsprache stammt, wenn man ihn sowieso neu lernen muss. Ein super Beispiel sind die Cursor-Tasten. Mein Vater weigert sich unter anderem standhaft, sich zu merken, dass die vier Pfeiltasten Cursortasten heißen und fragt immer nach, wenn ich Telefonhilfe leiste. Wenn ich dann den deutschen Begriff Pfeiltasten benutze, weiß er natürlich erst recht nicht, welche Tasten ich meine: Die Tastatur hat beeindruckend viele Tasten, auf denen verschiedene Pfeile in alle möglichen Richtungen abgebildet sind. "Wie kann ich mir das denn nur merken?" Was weiß denn ich? Lernen? Wer sich Lateinisch, Griechisch, Hebräisch und ein wenig Spanisch drauf geschafft hat, von dem sollte man doch erwarten können, auch eine Hand voll Tastennamen und #Computerbegriffe zu lernen, die man jeden Tag braucht.

Oder nicht? Was steckt denn da für eine schlaraffenlandeske Erwartungshaltung hinter? Wer die Vorteile von Computern nutzen möchte, muss sich an deren Umgangsformen halten. Und wer das nicht will, leistet sich eben einen Sekretär für sowas, der für einen das Internet bedient. Wenn man Politiker ist und über Dinge zu entscheiden hat, die Computer und das Internet betreffen, wäre es allerdings schon irgendwie vorteilhaft, das doch selber zu können…

Wie auch immer, das Problem Englisch ist in meinen Augen nur vorgeschoben. Klar fühlt es sich etwas noch fremder an, wenn es in einer Sprache benannt ist, die man nicht in der Schule gelernt hat. Oder dort nicht zugehört hat: Neulich fragte eine Arzthelferin eine andere einigermaßen ungläubig, warum man Wednesday denn Wendsday aussprechen sollte, da stünde doch Wednesday. Aber in meinen Ohren sind die zumeist wenig gebräuchlichen deutschen Entsprechungen von englischen Computerbegriffen selten ein Gewinn, sondern machen die Sache meist a) komplizierter und b) weniger kompatibel. Denn wenn der nächste um die Ecke kommt und die Cursortasten korrekt Cursortasten nennt, sollte man halt wissen, dass sie Cursortasten heißen. Oder Shift oder Return oder Tab oder Space. Zudem wäre es hilfreich, wenn einem klär wäre, was ein Cursor überhaupt ist und was das Konzept eines Cursors für Implikationen hat. Da kann man wütend mit dem Fuß aufstampfen oder den Computer unangerührt in der Ecke stehen lassen, aber das ändert nichts daran. Und ich möchte auch nicht in einer Welt leben, in der wir uns auf Biegen und Brechen deutsche Entsprechungen für alles aus dem Hirn quetschen, weil, naja, warum eigentlich? Als Selbstzweck? Wie die Franzosen aus nationalistischen Beweggründen? Um Barrieren abzubauen höre ich Euch sagen? Das überzeugt mich nicht. Denn die Weigerung gegenüber dem Verständnis von grundlegender Computerbedienung sitzt tiefer als nur auf der sprachlichen Ebene. Davon abgesehen steht Cursor übrigens im Duden als deutsches Wort, das folgendes bedeutet und sich aus dem Lateinischen ableitet:

[blinkendes] Zeichen auf dem Bildschirm, das anzeigt, an welcher Stelle die nächste Eingabe erscheint

Das lasse ich mal so stehen.

Übrigens hat sich noch nie jemand bei mir über englische Computerbegriffe beschwert bei Problemen, die über die grundlegende Bedienung hinaus gehen. Wenn jemand verstanden hat, wie ein Vorgang funktioniert, ist es meiner Erfahrung nach völlig egal, ob die Beschriftung eines Bedienelements deutsch, englisch oder, wenn die Usability stimmt, sogar chinesisch beschriftet ist. Wenn im eigenen Denkmodell aber schon eine neue Mail schreiben und auf eine Mail antworten zwei grundsätzlich verschiedene und nichts miteinander zu tun habende Vorgänge sind, wird man bereits daran scheitern, wenn ein zuvor englisch beschrifteter Button "Reply" plötzlich deutsch "Antworten" beschriftet ist oder identisch beschriftet einen neuen Platz bekommen hat. Es muss unglaublich anstrengend sein, Computer auf so eine unabstrakte Weise zu benutzen.

P.S. Ich habe mich übrigens bewusst auf das spezifische Problem der englischen Begriffe beschränkt, die man sowieso neu lernen muss, weil sie etwas beschreiben, das man vorher gar nicht kannte. Dass in Deutschland viele Dinge schleichend ins Englische wandern, für die es etablierte deutsche Begriffe gegeben hat, ist eine andere Baustelle.

P.P.S. Falls sich jemand wundert, warum ich immer etwas ungehalten bin, wenn sich Leute weigern, grundlegende Computerbedienkonzepte zu lernen: Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht zu lernen was ich kann. Zeit, in der andere Leute andere Freizeitaktivitäten gemacht haben. Weil ich meine Probleme lösen wollte, habe ich mir die dazu nötigen Werkzeuge angeeignet. Das sollte nach meiner Auffassung auch der Normalfall sein. Ich helfe und erkläre gerne und gebe weiter, was ich weiß, damit andere das nicht auf die harte und langwierige Tour tun müssen. Das Konzept des Herrschaftswissen ist mir fremd. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass Leute dieses Angebot nicht als Basis für Lernfortschritt nutzen, sondern um sich das Lernen zu ersparen und mich als ausgelagertes Gehirn missbrauchen, dann habe ich da keine Lust drauf. "Ach, kein Bock mir das zu merken, ich ruf einfach den Nerd an, der ja den ganzen Tag nichts besseres zu tun hat als sich in anderer Leute Computerprobleme reinzudenken, wenn ich nicht weiter komme." Scheinbar ist es ein Gedankengang dieses Typs, der Leute umtreibt. Ich bitte um Verständnis, dass ich darauf keine Lust habe, auch wenn das blasiert klingt.

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