Wenn es um das Thema Glasfaserausbau geht, beziehungsweise konkret um den Glasfaserausbau bis in die Häuser, herrschen nach meiner Erfahrung völlig falsche Vorstellungen vor, was den tatsächlichen Aufwand angeht. Ich hatte mir das immer so vorgestellt, dass da ein Bautrupp kommt und in irgendeiner Weise alle Straßen, Gehwege und Vorgärten aufreißt, um die Kabel zu verlegen. Da liest man ja immer mal wieder von revolutionär einfacheren Verlegetechniken, wo dann etwa nur ein schmaler Schlitz gefräst wird, der auch sogleich mit Kabel drin wieder verschlossen wird.

Nun wohne ich seit anderthalb Jahren in einem akuten FTTH-Ausbaugebiet und konnte die Arbeiten direkt mitvervolgen. Unser Neubau wurde naheliegenderweise direkt beim Bau angeschlossen, hier rundherum ist aber Bestandsbebauung aus den 1970er Jahren, die erst danach sukzessive versorgt wird. Und was soll ich sagen? Wenn ich nicht wüsste, was der Bautrupp mit den niederländischen Kennzeichen da macht, ich würde nicht darauf kommen, dass hier gerade jedes Haus einen Glasfaseranschluss bekommt. Gelegentlich wird mal was aufgebuddelt und man hört Minibagger und dann Rüttelplatten, aber die meiste Zeit bekomme ich nichts mit. Also davon abgesehen, dass an immer mehr Häusern an der Außenwand ein aufgerolltes orangefarbenes Kabelende aus dem Boden guckt. Ich habe keinen aufgebuddelten Vorgarten gesehen, keine tagelang gesperrten Wege, keinerlei Unannehmlichkeiten. Hier und da steht ein Zelt über den Verteilerkästen, daran erkennt man, dass die Anschlüsse an dieser Straße schon geschaltet werden.

Also falls die Telekom mal wieder so tut, als bräuchte man an sich mal wieder einen Bombenkrieg oder ähnliches, um eine Gelegenheit zu schaffen, flächendeckend FTTH auszubauen, wisst Ihr jetzt: Bullshit, das geht erstaunlich flott, sauber und arm an Belästigingen für die Anwohner. Niemand gräbt Eure Vorgärten um, die Straßen in Eurem Viertel vernarben nicht völlig. FTTH flächendeckend ist sehr wohl möglich.

Und zu den Kosten herrschen auch merkwürdige Vorstellungen. Der vollständige Glasfaserauabau hier in Monheim kostet die Stadt nach aktuellem Stand 27 Millionen Euro (vgl. Haushaltsplan Monheim 2018). 2014 war noch von 21 Millionen die Rede. So oder so ist das vergleichsweise überschaubar, denn Monheim hat rund 43.000 Einwohner und alle davon bekommen einen FTTH-Anschluss innerhalb von wenigen Jahren. Also explizit nicht nur Gewerbegebiete oder Viertel, bei denen der Ausbau günstig ist und/oder die Nachfrage gesichert, sondern einfach alle. Die Kunden zahlen auch keine krassen Anschlussgebühren selber, sondern bekommen den Anschluss frei haus, wenn sie unterschreiben, dass der Bautrupp auf ihr Grundstück darf. Pro Kopf investiert die Stadt dabei deutlich unter 1000 Euro, das ist ein Betrag, der sogar in endlicher Zeit durch Einnahmen aus den Anschlüssen wieder reingeholt wird und danach ist das gesamte Vorhaben ein Plusgeschäft für die Stadt. Auch finanziell ist FTTH also flächendeckend sehr wohl möglich und das auch einigermaßen kurzfristig.

Und ich kann es gar nicht oft genug betonen: Internetversorgung ist wie Wasser, Strom, Kanal und Straßen Infrastruktur und damit originär kommunale Aufgabe. Mir ist völlig schleierhaft, warum sich diese Sichtweise noch immer nicht durchgesetzt hat. Wieso sollte die Letzte Meile der Privatwirtschaft überlassen werden, die mangels Universaldienstverpflichtung nach wirtschaftlichen Kriterien entscheidet, ob und wann Menschen und Gewerbe an zeitgemäßer Kommunikation teilnehmen dürfen? Wer ist überhaupt auf diese Idee gekommen? Also nichts gegen Wettbewerb bei der letztlichen Erfüllung der Telekommunikationsdienste. Aber die konkreten Leitungen in die Häuser gibt es vorzugsweise einmal, alles andere ist verschwenderischer Wahnsinn. Man stelle sich mal vor, ein liberalisierter Strommarkt würde dazu führen, dass Anbieter anfangen, eine zweite und dritte Stromleitung in die Häuser zu legen.

Die offensichtlich einzig sinnvolle Lösung ist hier wie da ein Open-Access-Zugangsmodell auf Infrastruktur, die ein (kommunaler) Netzbetreiber diskriminierungsfrei unterhält. Dass wir beim Thema FTTH noch immer einen ganz anderen Diskussionsstand haben, ist der eigentliche Skandal. Digitalisierung als Buzzword überall, aber die Infrastrukturfrage soll sich von alleine regeln, irgendwie. Oder wie ist das gedacht? Ich bin froh, dass ich in Monheim wohne, wo die Stadt das Thema rechtzeitig aktiv angegangen ist. Nicht nur, aber auch weil das ein echter Standortfaktor für Unternehmen ist. Das ist so naheliegend, offensichtlich und zwingend, dass ich einigermaßen fassungslos bin, dass das erst so wenige Kommunen erkannt haben. Ob die auf göttliche Intervention warten? Oder auf ein Machtwort der Bundesregierung? Einer CDU-geführten Bundesregierung, die in den letzten 12 Jahren alles dafür getan hat, dass hier der Stillstand gefestigt wird? Open-Access ist alternativlos in meinen Augen, aber darauf werden wir noch zehn bis zwanzig Jahre warten und bis dahin werde ich mit dem latent bedrohlichen Gefühl leben müssen, dass mein schöner Glasfaseranschluss nur eine blöde Tarifentscheidung des Anbieters von der Nutzlosigkeit entfernt ist. Und nur 300 Meter entfernt von hier wohnen Leute, die davon nur träumen können, weil sie in Düsseldorf wohnen, wo man der Auffassung ist, dass Glasfaser nur für Gewerbegebiete nötig ist. Weswegen man höflich bei Vodafone (deren Deutschlandzentrale in Düsseldorf ansässig ist) und der Telekom nachfragt, ob die nicht langsam mal die ersten Gewerbebetriebe versorgen können, damit die nicht in den Speckgürtel abwandern, wo die Gerwerbesteuer niedrig und die Glasfaser bereits vorhanden ist. Infrastruktur als Standortfaktor, wer hatte das schon auf dem Zettel?

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