Ich schäme mich gelegentlich für meine Herablassung gegenüber RTR-Modellen mit Bürstenmotoren (wir befinden uns im Kontext von RC-Cars). Dabei ist die eigentlich sehr berechtigt, weil sie aus meiner Erfahrung gespeist wird. Also anders als etwa meine merkwürdige Herablassung gegenüber Fachhochschulen, bei der ich meine Ahnungslosigkeit bereits am ersten Tag dort einräumen musste. Die bürstenlosen Elektroantriebe haben sich im RC-Modellbau aus gutem Grund für alle ernsthaften Einsatzzwecke durchgesetzt, die Überlegenheit ist einfach zu offensichtlich. Ausnahme sind Crawler, weil es dort nie auf Leistung ankommt, sondern auf eine gewisse Feinfühligkeit in Sachen Drehmoment, was Bürstenmotoren sehr gut hinbekommen.

Was ich eigentlich erzählen wollte, ist meine eigene Geschichte mit Antrieben von ferngesteuerten Autos. Das ging als Kind los, da hatte ich zwei Spielzeugkarren, die mit uralten und schwachbrüstigen NiCd-AA-Akkus betrieben wurden. Von Leistung war da nicht zu sprechen, den einigermaßen steilen Hügel auf dem Spielplatz hinterm Haus kamen die jedenfalls nur manchmal mit viel Schwung hoch, die Antriebe waren sogar zu schwach, um die griplosen Spielzeugreifen auf dem sandigen Pflaster des Hügels durchdrehen zu lassen. Da war es dann auch fast egal, dass die Reichweite der Funken etwa 15 Meter betrug und die Lenkung so schwach war, dass der Wendekreis trotz der geringen Geschwindigkeit bedrohlich anwuchs, sobald man Vollgas fuhr. Was für ein Scheiß und dafür noch ziemlich teuer. Noch heute fragen mich Leute auf der Straße immer wieder wahlweise nach Endgeschwindigkeit meines Fahrzeugs ("schneller als man es sinnvoll handhaben kann") oder der Reichweite der Funke ("weiter als man die Karre noch sinnvoll erkennen kann").

Kleiner Zeitsprung in meine 20er. Mir mangelt es an Geld, ich wohne (wieder) bei den Eltern und studiere vor mich hin. Dennoch flammt meine alte Liebe auf und ich kaufe ohne vorheriges Reinnerden einen Tamiya-Baukasten mit TT-01-Chassis und Ferrari-Enzo-Karosserie, die ich schwarz lackiere. Sieht geil aus, kostet mich aber über 200 Euro und ist eine heftige Enttäuschung: Im Karton liegt allen Ernstes ein mechanischer Fahrschalter, der auf niedrigen Stufen Teile der Energie am Motor vorbei in einem Widerstand verheizt. Die Erkenntnis darüber und die Anwesenheit eines solchen Relikts in einem 2002 aktuellen Baukasten gehören zu den größten WTFs in meinem Leben. Bonus: Die Aufhängungsteile aus Plastikspritzguss brauchen viel Nacharbeit um einigermaßen leichtgängig zu arbeiten und das Modell hat Bronzegleitlager, in denen die Antriebswellen schon im Neuzustand gruselige Geräusche und Vibrationen von sich geben. Weitere zig Euro später, wir sind bald bei 300€, habe ich einen Satz Kugellager und einen billigen Fahrtregler verbaut. Der ist defekt, also bekomme ich Ersatz. Aber auch der Ersatz erweist sich als derart schlecht, dass es keine Freude ist, damit zu fahren. Bis dahin war mir nicht klar, wie groß die erfühlbaren Unterschiede von Fahrtreglern bereits mit diesem lahmen Baukastenmotor sein können. Die Erkenntnis trifft mich erst später mit voller Wucht, als ich einen richtigen Regler in das Fahrzeug einbaue. Geht doch. Eine weitere Erkenntnis: Ich habe fast 300 Euro für Dreck ausgegeben, das war zu dem Zeitpunkt viel Geld für mich.

Nächster Anlauf ein knappes Jahr später: Diesmal bin ich vorbereitet. Ich habe alles leergelesen, was ich finden konnte, Zeitschriften, Foren, Prospekte. YouTube und Blogs gab es noch nicht. Die Kopfressourcen, die da reingeflossen sind (und in allerlei andere Hobbys), fehlten mir übrigens sehr bei meinem Studium, das hätte mir zu Denken geben sollen. Jedenfalls war mir klar was ich will, es wird ein Team Losi XXX-T Sport RTR. Der kostete keine 400 Euro und war sein Geld absolut wert. Vor allem im Vergleich zum 300€-Tamiya-Reinfall. Meine Verbundenheit mit dem Fahrzeug ist ungebrochen, ich hatte sogar einen bei eBay als Ersatz für den aus der Garage geklauten gekauft. Das war deswegen keine gute Idee, weil man kaum noch Ersatzteile bekommt (ein gebrochenes Teil ließ sich nicht mehr auftreiben) und neuere Fahrzeuge nochmals wesentlich besser sind. Also Nostalgie gerne, aber dann vorsichtig damit umgehen.

Das Fahrzeug hatte einen recht kräftigen, aber nicht sonderlich flotten Bürstenmotor an einem tollen GM-Regler. Der Motor wurde schnell durch etwas schnelleres ersetzt, denn der Rest war zu weit höherem berufen, soviel war sehr schnell klar. Schnell wurde aber auch sehr klar, dass die Bürstenmotorentechnik hier am Limit operierte: Die ganz flotten haben Kohlen zum Frühstück verbraten und schon mein schwächerer Motor wurde einmal so heiß, dass sich das Anschlusskabel abgelötet hat. Das passiert jenseits der 300 Grad. Hui. Die NiMH-Akkus damals waren auch hart am Limit und zusammen mit der hohen Verlustleistung der Motoren kam letztlich ernüchternd wenig an den Rädern an. Das war schon lustig, keine Frage, aber mir war klar, dass ich mehr will, dass ich das Fahrwerk am Limit sehen will. Die Chassiswanne habe ich allerdings bereits mit dem Bürstenmotor bei einem gar nicht so schlimmen Einschlag ganz simpel durchgebrochen und durch eine teure graphitverstärkte neue der Rennversion des Modells ersetzt.

Zu der Zeit kamen die bürstenlosen Motoren auf. Ich war sofort überzeugt, weil mir die Sache mit den Schleifkohlen schon immer verdächtig war. Also kaufte ich für viel Geld einen guten Motor und einen tollen Regler von GM. Das war es, was für eine Leistungssteigerung! Nie wieder Bürstenmotoren! Im Ernst: Wer einmal einen (guten) bürstenlosen Antrieb gefahren ist, macht es darunter nicht mehr. Endlich war der Losi angemessen motorisiert. Und er kam damit prima klar.

Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, musste ich bei meinem LRP Shark 18 auf die teure Tour erfahren. Der war ein eBay-Schnäppchen und gut vorgetunt. Bis auf die Antriebskomponenten, die auf den schwachen Bürstenantrieb ausgelegt waren. Es dauerte wenige Minuten, bis der nachgekaufte Bürstenlose die erste Antriebsachse einfach abgedreht hatte. Die zweite folgte kurz darauf. Die Dinger waren aus ziemlich flexiblem Kunststoff gefertigt und das hohe Drehmoment (ohne Rutschkupplung als Begrenzer dazwischen) hat die einfach so weit verformt, dass sie an der gleichen Stelle einfach aufgaben. Also habe ich Metallantriebswellen beschafft, die echt teuer waren. Wenige Minuten später gab das erste Differenzial auf. Zack, durch, gleiches Problem. Die Alu-Differenziale waren vergleichsweise günstig, aber als nächstes waren die vorderen Radträger dran, deren Alu-Ersatz war schmerzhaft teuer. Ich habe dann auf weitere Experimente verzichtet, auch weil ich umzog und kaum noch zum Fahren kam. Das war doppelt schade, weil das Modell ganz hervorragend fuhr, erst recht mit großen Moosgummirädern von einem Tourenwagen im Maßstab 1/10, der Shark war eigentlich ein Buggy im Maßstab 1/18. Später habe ich noch ein paar Akkuladungen mit LiPo-Akkus verfahren, doch ein Einschlag mit voller Geschwindigkeit (etwa 50km/h) unter einen Reifen eines parkenden Autos hat Schaden an nicht mehr verfügbaren Teilen verursacht.

Was lernen wir? Die Einsteigervarianten von guten Modellen sind noch heute teilweise mit veralteter Bürstentechnik im Verkauf. Das spart Geld bei Regler und Motor, vor allem aber wird mitunter deutlich bei den Antriebsteilen gespart. Im Verkauf liegen die 50 bis 100 Euro unter ihren bürstenlosen Varianten. Wenn ich eins gelernt habe aus meiner Geschichte, dann dass man diesen Aufpreis bezahlt. Immer und ohne weitere Fragen. Macht man das nicht, kommt der Hunger beim Essen und man zahlt viel mehr für die ganzen Tuningmaßnahmen, als diesen vergleichsweise geringen Aufpreis. Alleine ein angemessener Regler plus Motor übersteigt schon den Aufpreis, die besseren Antriebsteile hat man dann aber noch immer nicht drin.

Man kann das schon in den Werbevideos der Hersteller sehen, wenn man genau darauf achtet: Die Modelle mit Bürstenantrieb sind viel weniger brachial in ihrem Fahrverhalten. Aber genau diese brachiale Entfaltung viel zu hoher Leistung will man haben, früher oder später jedenfalls.

Bei den bürstenlosen RTR-Modellen gehen einige Hersteller inzwischen einen guten Weg: Im Karton liegt ein 6-Zellen-NiMH-Akku, manchmal auch einer mit sieben Zellen. Der ist okay und wenn man es schneller haben will, steigt man erst auf 2S-LiPos um und dann auf 3S. Die Antriebsteile sind dann darauf schon ausgelegt und es kommt kein Frust auf. So muss das. Diese LiPos waren übrigens die zweite Revolution nach den bürstenlosen Motoren. Die maximal abzugebende Leistung ist damit viel höher als selbst bei guten NiMH-Akkus, zudem ist die Energiedichte weit höher. Genau was man braucht, wenn man flott von der Stelle kommen will. Aktuelle größere Modelle operieren mit 6S, also mit 22,6 Volt. Das wären mit NiMH 18 Zellen, die man unterkriegen und mitschleppen muss, von der dennoch um Welten geringeren Leistungsabgabe ganz zu schweigen.

Wenn ich da an die miesen NiCd-AA-Zellen meiner Kindheit denke, lächle ich milde, ziehe am Gashebel und sehe mein Modell im Sonnenuntergang verschwinden. Auf gerader und ebener Strecke kann man mal mehr als eine Sekunde Vollgas geben. Könnte ich das nur meinem Kindheits-Ich erzählen… Das hatte einmal, als es noch im Fahrradkindersitz umhergefahren wurde, neben dem Campingplatz hier in Baumberg mit sehr großen Augen ein echtes Rennen mit richtigen ferngesteuerten Autos gesehen. Das hat sein Leben verändert. Kurz darauf schloss die Strecke und erst 30 Jahre später lüftete sich mir das Geheimnis, dass die bloß nach Berghausen umgezogen waren. Hätte ich das gewusst! Aber woher ohne Internet und ohne Kontakte zur Szene? Aber bei diesem einen Rennen war mir sofort sonnenklar, dass ich, wenn ich groß bin, auch sowas haben und machen will. Mein späteres intensivstes Katalog- und Preislistenstudium führte mir allerdings schnell vor Augen, dass ich als Grundschulkind noch sehr lange nicht groß genug dafür war. Bis in meine 20er hinein hatte ich für mein geringes Budget jedenfalls ganz andere Prioritäten.

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