Alle paar Wochen klicke ich mich mal durch #Facebook, weil mal wieder jemand nicht medienkompetent genug war, mich über Kommunikationswege zu kontaktieren, die ich aktiv nutze. Naja, egal. Diese Gelegenheiten nutze ich dann immer, um zu schauen, was ich so verpasst habe.

Was soll ich sagen? Nicht nur, dass ich genau nichts von Substanz verpasst habe, das ist ja an sich nicht überraschend, weil was Substanz hat einen ohnehin auf mehreren Wegen erreicht. Viel interessanter ist der andere Kram, den ich verpasst habe:

  • Vermisstenmeldungen von irgendwelchen Leuten aus irgendwo. Von Leuten, die offensichtlich weder mit dem Vermissten, noch mit dem Poster der Meldung irgendwas zu tun haben.
  • Geklaute Moppeds, Fahrräder, Laptops, Handys, was auch immer. Von Leuten, die offensichtlich weder mit dem geklauten Gegenstand, noch mit dem Poster der Meldung irgendwas zu tun haben.
  • Nicht mal ansatzweise lustige Lebensweisheiten in schlimmer Schrift auf bunten Hintergründen, deren Offensichtlichkeit so brachial auf einen niederregnet, dass man am Intellekt des Posters berechtigte Zweifel anmelden darf. Sex macht Spaß!!!!, Männer sind, wie Männer sind und Frauen sind, wie Frauen sind *schenkenklopf* (sinngemäß wiedergegeben). Ja nu.
  • Bilder von irgendwelchen Leuten, die man nicht wirklich kennt. Kommentiert von Leuten, die man wirklich nicht kennt und deren wenig ausgeprägte Meinungsäußerungen eine Interessanz im zweistelligen negativen Bereich haben.
  • Statusmeldungen von diversen Apps, die massenhaft gelaufene Strecken beinhalten und was auch sonst Leute so von sich tracken. Wie schnell jemand die 7,85km mit dem Rad von A nach B gefahren ist, interessiert vielleicht seine oder ihre Sportkumpel. Wenn er oder sie denn welche hat, was wohl eher nicht der Fall ist, wenn man stolz Radstrecken im einstelligen km-Bereich postet.
  • Empört weitergereichte Warnungen und Wortmeldungen von Hundefreunden über irgendwo (angeblich) ausgelegte Giftköder, schlimme Hundehasser und überhaupt auffallend viel Empörung über schlecht behandelte Tiere. Man könnte fast den Eindruck bekommen, das einzige, über das man sich bei Facebook in nennenswertem Umfang aufregt, hätte irgendwie mit schlecht behandelten Tieren zu tun.Schlecht behandelte Menschen? Guantanamo? Massenhafte systematische Außerkraftsetzung einer größeren Zahl unserer Grund- und Menschenrechte? Alles unwichtig, das eigentliche Problem sind laut Facebook getretene Hunde in Sizilien, in in der prallen Sonne geparkte Autos eingesperrte Hunde (seltener Babys) und ganz weit vorne besagte Giftköder. Ach ja, Kinderschänder hätte ich fast vergessen, die haben einen ähnlich schlechten Stand wie Tierquäler und bekommen gerne von allen anwesenden gefeierte drastische Selbstjustiz-Maßnahmen angedroht.

Facebook war lustig, als die Leute noch etwas über sich gepostet haben: Hat geheiratet, arbeitet jetzt hier und da, studiert wasauchimmer, sieht jetzt soundso aus. Ich habe gerade mal einige Minuten durch meinen aktuellen Facebook-Stream gescrollt und nicht eine Statusmeldung dieses Typs gefunden (die ich nicht ohnehin bereits von anderswo wusste), zumindest ist mir keine solche ins Auge gefallen.

Und ich behaupte: Das wird noch schlimmer. In einer Gesellschaft, in der der Staat rigoros in alles Private eingreift, fangen die Leute irgendwann an, ihr Privates zu schützen und öffentlich nur noch Belanglosigkeiten von sich zu geben. Dass in der Diskussion um #PRISM und Co. immer wieder der Facebook-Spin ins Spiel gebracht wird, ist da sicherlich ein wichtiger Faktor. Facebook ist zwar definitiv nicht das Problem an dieser Stelle, aber etwas mehr Bewusstsein in Sachen #Privatsphäre schadet auch nicht. Herr, lass Privatsphärebewusstsein regnen!

Ich habe übrigens kein Problem mit Belanglosigkeiten, ich verbringe viel Zeit in diesem Internet mit Belanglosigkeiten. Aber dann suche ich mir meine Belanglosigkeiten gezielt aus, es sollten vorzugsweise Qualitätsbelanglosigkeiten sein. Und die Schnittmenge aus "kenne ich aus irgendeinem Grund persönlich" (Facebook-Freunde) und "postet Qualitätsbelanglosigkeiten oder gar etwas von Substanz" (meine individuelle und akkurat gepflegte Filterblase in #Google+, #Twitter, #Tumblr, anderem Porn, #RSS und Web) ist doch eher klein. Es würde mich wundern, wäre dem nicht so, weswegen meinem Empfinden nach Facebook ausgerechnet an seiner überuniversellen Auslegung so grandios scheitert: Facebook will alles in ein Netzwerk packen, im Ergebnis ist alles in einem Netzwerk, 90% davon ist aber für 90% der Freunde dort nicht mal ansatzweise relevant. Das wiederum führt dazu, dass die 10%, die für 10% der Freunde dort relevant sind, einfach unter die Räder kommen. Irgendwie schade, irgendwie aber auch nicht.

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