Seit einiger Zeit bemühe ich mich beim Schreiben um geschlechtergerechte Sprache, hier im Blog und schon länger bei meinen Seminar-Skripten. Dabei greife ich auf verschiedene Gendering-Varianten zurück, die ich in erster Linie nach der Maßgabe der geringstmöglichen Ablenkung vom eigentlichen Inhalt auswähle.

Leicht fällt mir das zum Beispiel bei den Studierenden, das ist unsere etablierte Sprachregelung und da gewöhnt man sich schnell dran; zudem klingt das lediglich etwas gestelzt, aber geht ansonsten leicht von der Hand bzw. der Zunge. Jedenfalls ist das allemal besser als immer von Studentinnen und Studenten zu sprechen. Aber nicht von allen Wörtern lassen sich solche Formen bilden oder man würde mit verwandten Begriffen in eine andere Richtung gehen, als man eigentlich wollte. Professorinnen und Professoren ist eben etwas anderes als Lehrende, wobei man immerhin sowieso meist besser von den Lehrenden spricht, weil unsere Lehre aus weit mehr als Professorinnen und Professoren besteht.

Gelegentlich, wenn mein Hirn gerade mit anderen Dingen ausgelastet ist, falle ich auf ein #generisches Maskulinum bzw. genau genommen auf ein generisches Geschlecht zurück. Das lenkt mich beim Schreiben am wenigsten ab und meine Leserinnen und Leser stören sich daran auch in der Praxis bislang genau nie, zumindest nicht offen mir gegenüber.1 Im Gegensatz dazu bin ich schon häufiger darauf angesprochen worden, dass mein Gendering beim Lesen stört. Diesen Umstand behalten wir mal im Hinterkopf.

Manchmal, wenn ich krawallig drauf bin, streue ich mehr oder weniger zufällig ein unübliches generisches Geschlecht ein. Statt von Krankenschwestern schreibe ich dann Krankenpflegern, statt von Lesern von Leserinnen. Sowas fällt zumindest mir beim Lesen auf, lenkt meine Gedankengänge vom eigentlichen Thema ab und hin zu der Frage, warum die Autorin gerade an dieser Stelle vom generischen Genderstandard abweicht. Da ich davon ausgehe, dass das auch anderen so geht, mache ich das verhältnismäßig selten, weil ich als Autor ja eigentlich meinen Inhalt vermitteln und keine Genderdiskussion im Kopf der Leserin starten möchte. Andererseits ist es lustig, wenn einem dann an einer konkreten Stelle der Vorwurf gemacht wird, dass die Negierung des Genderstandards in diesem Kontext ja auch wieder nur ein Sexismus wäre und ich sollte mal meine Privilegien checken. Das ist mir noch nie passiert, stimmt aber im Ansatz, deswegen ist das zufällige Einstreuen von ungewohnten Geschlechtern ja in meinen Augen auch eine eher trollige Variante des Genderings.

Dann schreibe ich, verhältnismäßig selten, in einer durchgängig generisch weiblichen Form. Wann immer ich das tue, habe ich beim späteren Lesen den Eindruck, dass ich ein ziemlicher Macho bin. Das liegt in erster Linie an der Art, wie ich manchmal Texte schreibe und wenn dann alles auffällig weiblich ist, liest sich das dann halt sehr Macho-mäßig. Auch das kann lustig sein, aber meistens ist es nicht das, was ich bezwecken will. Also ist das allgemein keine gut funktionierende Lösung. Zudem nervt es mich beim Lesen, weil es penetrant rüber kommt. Man muss halt immer schauen, was man mit einem Text bezwecken möchte und in eher seltenen Fällen ist ein auffälliges Gendering in diesem Sinne hilfreich.

Sehr selten konstruiere ich Begriffe mit Binnen-I oder Schrägstrich, also LehrerInnen oder Lehrer/innen. Nie benutze ich Sternchen oder Unterstriche wie in Lehrer*innen oder Lehrer_innen. Neben dem naheliegenden Problem mit #Markdown, wo * und _ bestimmte Auszeichnungs-Bedeutungen haben und ggf. escaped werden müssen, liest sich das einfach sehr sehr nervig. Handbücher zum korrekten #Gendering gehen aber oft noch weiter und bringen so Exoten wie die x- und xs-Formen ins Spiel, also Lehrx im Singular und Lehrsx im Plural. Das ist aber noch lange nicht alles, den vollen Wahnsinn kann man in diesem Leitfaden nachschlagen. Bei allem Verständnis für geschlechtergerechte Sprache, aber auf diese Weise gegenderte Texte kann ich nur noch aus vollem Herzen auslachen. Es gibt genau einen Kontext, wo man so schreiben kann: Bei (Fach-)texten über Gendering an sich. Wer sich damit so tief beschäftigt, sollte so abgehärtet sein, dass er danach nicht zur Strafe absichtlich auf #geschlechtergerechte Sprache verzichtet. Denn genau das ist der Effekt von derart verunstalteten Texten bei normalen Leuten. Einen derart gegenderten Text kann ich – auch wohlwollend – nicht ernst nehmen und bis zum Inhalt werde ich da gedanklich nicht mal vorstoßen. Fefe hatte da mal was zu, das lesenswert ist und dabei viele schöne Beispiele und Links nennt.

Ich habe tatsächlich sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass es den Leuten, die immer störenderes Gendering fordern, genau darum geht: dass die Rezipientinnen und Rezipienten sich eben nicht an das Gendering gewöhnen, sondern dass das Gendering absichtlich gegenüber dem eigentlichen Inhalt des Textes eigenständige Aufmerksamkeit erregt, um das Problem der Geschlechterungerechtigkeit in den Köpfen präsent zu halten. Das ist in etwa das genaue Gegenteil von meinem Verständnis von geschlechtergerechner Sprache, die genau dann gewonnen hat, wenn sie niemand mehr bemerkt, weil die Geschlechtergerechtigkeit gewonnen hat. Zudem darf eine geschlechtergerechte Sprache eben gerade nicht stören oder gar vom eigentlichen Inhalt eines Textes ablenken. Wann immer das passiert, ist der Ansatz der geschlechtergerechten Sprache in meinen Augen gescheitert. Aber wie kommt jemand auf die Idee, dass es im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit sein kann, sie als Problem möglichst permanent und auf Platz 1 in den Köpfen möglichst aller zu halten? Ist unsere Gesellschaft so geschlechterungerecht, dass das das Top 1 Problem ist, hinter dem alles andere sehr weit zurückstehen muss?

Oder anders herum: Wundert sich jemand von diesen Leuten darüber, dass sie niemand bei klarem Verstand ernst nimmt? Oder überhaupt nur mit ihnen redet? Wer ein dermaßen extremistisches Weltbild hat, mit dex reden nur noch zwei Gruppen von Leuten: Ebenso verstrahlte Gleichgesinnte und ebenso verstrahlte Nicht-Gleichgesinnte. Im Ergebnis bewegt man sich in einer extremistischen Filterblase, in der die Welt nur noch aus Gleichgesinnten und Spinnern besteht und sonst aus Leuten, die nicht mit einem reden. Ich habe mich lange gefragt, wo der #Netzfeminismus immer diese wahnsinnigen #Maskulisten auftreibt, die ihnen öffentliche Vergewaltigungsdrohungen schicken. Dabei ist die Antwort so naheliegend: Wahnsinnige suchen sich gezielt andere Wahnsinnige, um sich an denen abzuarbeiten, weil ihnen nicht-Wahnsinnige eben gar nicht mehr zuhören. Und weil sie andere Wahnsinnige finden, die genau entgegengesetzte Ausprägungen des Wahnsinns zeigen, fühlen sie sich in ihrem Wahn bestätigt. Das trifft in beide Richtungen jeweils auf Fems und Maskus zu, auf Antifa und organisierte Nazis, auf die Relis traditionell sowieso. (Braun-)Esos, Verschwörungstheoretiker und Sekten haben keine konkrete starke Gegenseite, aber die brauchen auch keine, weil bei denen sowieso alles Wirr ist. Denen ist gar nicht mehr zu helfen.

Aber wie kann man den Extremistinnen und Extremisten helfen? Also darüber hinaus, dass man sie einfach nicht beachtet und ihnen vor allem kein Forum bietet? Genau daran sind übrigens in meinen Augen die #Piraten gescheitert. Wie kann man ihnen die Hand reichen und sie zurück in die Gesellschaft holen? Kann man ihnen ihre Sandkästen wegnehmen und sie voneinander fern halten? Da sie gezielt nach "dem Feind" an sich suchen, wird das wohl nicht helfen, denn sie werden ihr Feindbild schon irgendwo finden oder einfach so lange ausweiten, bis es wieder genug Daseinsberechtigung für sie gibt. Extremisten können nach meiner Definition niemals gewonnen haben, weil ihnen schlicht die Feindbilder nie ausgehen.

Ist es hilfreicher, ihnen als #Gesellschaft entgegen zu kommen oder entgegen zu treten? Spiele ich den Fem-Spinnerinnen und -Spinnern nicht möglicherweise auch noch in die Hände, wenn ich mich überhaupt gezielt um geschlechtergerechte Sprache bemühe? Diese Zweifel treiben mich zur Zeit um. Der Punkt ist ja, dass ich meinen Leserinnen und Lesern mit meinen Bemühungen dem Vernehmen nach mehr auf die Nerven gehe, als ich von ihnen Zustimmung erfahre. Ist mir geschlechtergerechte Sprache das wert? Ist geschlechtergerechte Sprache überhaupt ein wirkungsvoller Baustein auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft? Oder fehlt die Energie, die wir alle zusammen als Schreibende (aktiv) und Lesende (passiv) in eine geschlechtergerechte Sprache stecken, an anderen wichtigen Baustellen? Ist das Achten auf geschlechtergerechte Sprache ein gut gemeinter, aber letztlich falscher Fokus? Reiner Selbstzweck? Rein ökonomisch betrachtet muss ich abwägen, ob die 5%-10% Aufmerksamkeit, die ich beim Schreiben einer geschlechtergerechten Sprache widme und die ich meinen Leserinnen und Lesern dafür abverlange, nicht anderswo besser aufgehoben wären. Ist ein intensives Bemühen um geschlechtergerechte Sprache vielleicht sogar ein Weg in einen ungesunden #Extremusmus? Kostet einen geschlechtergerechte Sprache Aufmerksamkeit?

Je länger ich darüber nachdenke, umso deutlicher tendiere ich dazu, das in Zukunft wieder bleiben zu lassen und mich wieder einer reaktionären Standardsprache zu widmen.

tl;dr: Er hat Feministinnen und Feministen gedisst!!

Nachtrag 05.09.2019: Inzwischen habe ich mich sehr an die Gender-Gap-Schreibweise gewöhnt. Das liegt daran, dass es an meiner Hochschule einen Sprachleitfaden gibt, der sinnvolle Handreichungen liefert und eben das Gender-Gap vorgibt. Die Idee dahinter ist, dass der Zwischenraum einerseits sichtbar ist (anders als das Binnen-I, das gerne mal untergeht) und andererseits Raum lässt für nichtbinäre Geschlechteridentitäten. Damit kann ich gut leben, auch wenn diese Leere durchaus eine Angriffsfläche für Kritik bietet. Bei uns ist das übrigens so formuliert, das kann man stehen lassen:

Der ›Gap‹ steht hier für den Freiraum, in dem sich Identitäten auch jenseits der normativen Kategorisierungspraxis wiederfinden und entwickeln können.

Darüber hinaus gendere ich inzwischen fast überall recht konsequent, vor allem im beruflichen Kontext. Was ich weiterhin nicht mache, ist langwieriges Umformulieren an sich eleganter Sätze zu weniger eleganten Formulierungen, nur weil ich ganz sauber sein möchte. Das sind vor allem so Randthenem wie Indefinitivpronomen, wo es im Satzbau oft nicht reicht, jede_r statt jeder zu schreiben. Meistens kann man solchen Geschichten gut ausweichen und man gewöhnt sich auch an andere Formulierungen, aber wenn mir spontan nichts sinnvolles einfällt, belasse ich es dabei.

Dennoch: Gerade in der Lehre ist eine geschlechtergerechte Sprache wichtig. Man könnte argumentieren (und das wird manchmal auch getan), dass wir einen absurd hohen Frauenanteil unter unseren Studierenden haben und eher dazu übergehen müssten, aktiv den Männeranteil anzuheben, von daher hätten wir keinen so großen Bedarf für geschlechtergerechte Sprache. Ich verstehe das Argument, weil hier das generische Maskulinum wirklich nicht Gefahr läuft, Frauen unsichtbar zu machen. Dem möchte ich aber nicht folgen, gerade in so einer Situation ist es doch absurd, tradierte männliche Formen zu verwenden und dann sitzen da fast nur Frauen vor einem. Wir müssen das konsequent vorleben, denn erstaunlicherweise sind bei uns auch die allerwenigsten Frauen an geschlechtergerechter Sprache interessiert, möglicherweise weil sie das Problem dank klarer Überzahl gar nicht präsent haben. Ich hingegen zucke immer kurz zusammen, wenn ich unreflektierten Sprachgebrauch mitbekomme. Einige Studis sind übrigens sehr unsicher und nutzen ganz selbstverständlich auch geschlechtsneutrale Wortvariationen, wenn sie von sich oder einer anderen Einzelperson sprechen. Was bei "eine Studierende" noch eine gewisse Konsequenz hat, wird bei "eine [konkrete] Student_in" schon merkwürdig, gerade wenn das Gap mit dieser kurzen Pause ausgesprochen wird. Das sind auch keine Leute, wo man annehmen würde, sie drückten damit die Unklarheit ihrer Geschlechteridentität aus. Vielmehr beobachte ich da eine gewisse Verunsicherung im Sprachgebrauch: Das sind fast ausnahmslos Leute, die auch sonst dazu neigen, alles richtig machen zu wollen und die dann genau daran scheitern, weil sie zu sehr darauf achten, wie andere Menschen auf ihr Tun reagieren, statt eine eigene Auffassung zu etwas herauszubilden. Wo wir doch versuchen, genau das zu erreichen, also dass unsere Studis genug Expertise und Selbstsicherheit herausbilden, dass sie eine eigenständige Haltung zu Dingen haben und vertreten können.


  1. Ein Student wies mich aus meiner Sicht wertfrei bei einem Gespräch darauf hin, dass ja meine Thesis von 2007 im generischen Maskulinum verfasst ist. Dabei ging es um die Frage, ob er seine Thesis gendern sollte oder nicht. ↩︎

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